Neue Untersuchungen zeigen Diskriminierung auf dem Schweizer Wohnungsmarkt: In gewissen Regionen werden rund 10% der Bewerber mit ausländisch klingendem Namen bei der Anfrage um eine Wohnungsbesichtigung benachteiligt. „Gewählte MigrantInnen“ verlangt Massnahmen.
Medienkonferenz:Mittwoch 17.9. um 10 Uhr, NCBI, Schwanengasse 9, Bern
Zuger Kantonsrat Rupan Sivaganesan, Koordinator Gewählte Stimme Prof. Ben Jann, Institut für Soziologie der Universität Bern Fatma Tekol, ehem. Soloturner Kantonsrätin, Gewählte Stimme Ron Halbright, NCBI Schweiz
Zwei neue Untersuchungen weisen anschaulich diskriminierendes Verhalten auf dem Schweizer Wohnungsmarkt nach. Im Rahmen der Untersuchungen vom Institut für Soziologie der Universität Bern von Prof. Jann sowie der Untersuchung von NCBI Schweiz im Auftrag von „Stimme der gewählten MigrantInnen für alle“ wurden auf Wohnungsinserate Anfragen für Besichtigungstermine per Email gestellt, wobei Bewerber durch Vermieter oder Verwaltung lediglich aufgrund eines ausländisch klingenden Namens benachteiligt wurden. „Wir fordern einen gesetzlichen Schutz, um der offensichtlich fehlenden Fairness im Wohnungsmarkt entgegenzutreten. Diskriminierung ist nicht mit den Grundwerten der Schweiz vereinbar“, sagt Rupan Sivaganesan von „Gewählte Stimme“. „Wir sind überzeugt, dass viele Vermieter, gleich ob Besitzer oder Vermittlungsagenturen, nicht diskriminieren. Warum gibt es jedoch in einem Land, in dem mehr als ein Viertel der Bevölkerung Migrationshintergrund hat, immer noch Diskriminierung? Was kann dagegen gemacht werden? Als Ratsmitglieder mit Migrationshintergrund kennen wir die Problematik im Wohnungsmarkt und setzten uns ein für konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation.“
Zahlreiche Berichte von Betroffenen bestätigen die Schlussfolgerung, dass Menschen aus bestimmten Kulturkreisen von Vermietenden weniger erwünscht sind und deswegen auf engsten Raum leben und mehr bezahlen müssen, um überhaupt eine Wohnung zu finden.
Personen mit ausländisch klingenden Namen wird in der Ostschweiz und im Mittelland im Vergleich zu typisch schweizerischen Namen mit sonst ähnlichem Bewerbungsprofil die Wohnungsbesichtigung zu 8-10 Prozentpunkten häufiger verweigert (statistisch signifikante Nettodiskriminierung). Personen mit arabischen, tamilischen und eritreischen Namen werden stärker diskriminiert als etwa solche mit serbokroatischen Namen. In der Untersuchung von NCBI Schweiz wurde bezüglich eritreischen bzw. albanischen Namen gar eine Nettodiskriminierung von 21 bzw. 15 Prozentpunkten nachgewiesen.
Anfragen um eine Besichtigung stellen lediglich die erste Phase in der Wohnungssuche dar. Weitere mögliche Diskriminierungen vom Einreichen der Bewerbungsunterlagen bis zur Auswahl der Mietenden sind zu erwarten.
In Deutschland, den USA und in anderen Ländern ist der Schutz gegen Diskriminierung für Mietende eine selbstverständliche Realität, welche längst gesetzlich verankert ist. So ist etwa in den USA seit 1968 ein weitgehender mietrechtlicher Diskriminierungsschutz im „Federal Fair Housing Act“ verankert. Seit 2006 schützt in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor Benachteiligungen wegen der Rasse und der ethnischen Herkunft im Wohnungsmietrecht.
Die Schweizer Bundesverfassung statuiert in Art. 8 ein Diskriminierungsverbot, das die Diskriminierung aufgrund der Herkunft untersagt. Konkrete privatrechtliche Grundlagen, welche die Möglichkeiten bieten, die Diskriminierung von Wohnungssuchenden zu verhindern, fehlen in der Schweiz jedoch noch.
Die Gewählte Stimme, ein Zusammenschluss von Ratsmitgliedern mit Migrationshintergrund, fordert eine Anpassung des Mietrechts und des Diskriminierungsschutzes sowie Beratungsstellen für Betroffene.
„Da öfters mehrere Personen an der Wahl der Mietenden beteiligt sind, bestehen auch nach der Besichtigung viele Möglichkeiten für diskriminierendes Verhalten. Die Dunkelziffer der Diskriminierung ist erheblich, weil es an Transparenz fehlt“ sagt Ron Halbright. „Betroffene können in der Regel nur vermuten, dass ihre Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche aufgrund der Herkunft erfolgen, da die Entscheidungen nicht begründet werden müssen. Die Rechtsgleichheit ist in der Schweiz damit nicht gewährleistet.“
Kontakt:
Rupan Sivaganesan, Koordinator Gewählte Stimme, Kantonsrat Zug
079 911 22 22
Ron Halbright, Ko-Präsident NCBI
076 490 10 50
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